Von der Essenz der Trauer
1999
Inhaltsverzeichnis
- Dekade Eins: Tränen werden zu Kristall
- Dekade Zwei: Geister wehen in Äonen
- Dekade Drei: Dämonen baden sich gesund in Tränenmeer
- Dekade Vier: Alte Mächte sähen Weltenwahn
Dekade Eins: Tränen werden zu Kristall
"Auf dem Meere bilden Kreise
Sich. Welch ein groteskes Bild.
Als die erste Träne leise
Fällt und Salz ins Wasser füllt."
(Die Prophezeiung)
Die erste Träne, die vom Himmel fiel, füllte das Salz in die Meere. Starr und unaufhaltsam formte sie sich ihren Weg durch die kühle Luft des dunklen Tages. Weitere folgten. Die einst so ruhige Wasseroberfläche wurde nun durchdrungen von Tropfen aus unschuldigen arglosen Augen, trauernd und ohne Unterlaß bahnten sich die nassen Elemente vom Firmament ihren Weg und mischten sich mit denen der Erde. Es war der erste Tag der Dämmerung, des Schleiers, welcher von nun an seine dunkle seidene Trübung vor das Licht der Sonne legen sollte. Ein erdumspannender Dunst, ein Vorhang gefallen für die Zeitlosigkeit, für die Dauer von Äonen, die Unvergänglichkeit, Existenslosigkeit von Anfang und Ende. Ewiglich. Die Meere begannen unter der ungeheueren Menge der nun nachfolgenden matten Kristalle zu schäumen und zu beben. Immer weiter fortdauernd fielen die Gewalten auf die Wasser der Erde. Kreise formten sich auf deren Oberfläche und dehnten sich nach allen Himmelsrichtungen aus. Wie ein Wirbelsturm ebneten sich zahllose aufgepeitschte Wassermengen ihren Weg zu den Ufern des Festlandes. Dort angekommen folgten sie gnadenlos ihrem Weg weit in die Zentren der Kontinente hinein. Sie vergifteten die Flüsse, Bäche und Seen mit dem brodelnden Odem des Drachen und senkten sich wie das untergehende Tagesgestirn auf den Boden hernieder. Ohne daran auch nur einen Funken von Verschulden zu haben, einen Flecken, Makel in ihrem reinen Herzen, brachten jene Wasser vom Himmel die Trauer in die Erdenwelt.
(Alle Rechte bei Marcus Manfred Urspruch. Nachdruck oder Übernahme nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors gestattet!)
Dekade Zwei: Geister wehen in Äonen
"Wenn Zeit wird zu Unendlichkeit
Und Raum sich mengt mit Ewigkeit,
Wenn Geister in Äonen wehen
Und alte Mächte auferstehen ..."
(Das jüngste Gericht)
"Was endlos schläft, wird nimmer sein!"
(Traumebenen und Parallelwelten)
Das reine Wesen im Geiste der Welt wurde durchdrungen von unsagbarem Schmerz und Leid. Lange vergessene Pein formte sich ihren Weg durch die Unendlichkeit der dunklen Pfade. Pforten, einige längst zugeweht seitens Millonen feinster Sandkörner, die anderen hinter Dornenhecken wohl behütet und verborgen, gaben ihren Zugang frei und öffneten den dahinter schlummernden Wesenheiten die Rückkehr in eine Endlosigkeit des irdischen Seins. Durch Sphärenwände entfleuchten unreine Geister, entschlafen Ewigkeiten vor dem Licht, erweckt zu Lug und Trug, zu Schande und bizarren Greuletaten, geborgen im Schimmer der allesüberschattenden purpurnen Dunstschicht. Auferstandene Kreaturen wehten über Meere und fegten oberhalb der Kontinente hinweg im gleisenden Glanze ihres eigenen unreinen Seelenfeuers, welches ihnen die Potenz und den Atem des profanen Lebens bewahrte. Ihre befleckten Gedanken und niederträchtigen schäbigen Phantasien zogen sich zu einem riesigen Wall, einem undurchdringlichen Bollwerk zusammen, welches sich wie ein Ballon um die Erdkugel in allen Dimensionen hüllte. Alle böse Energie, die von jenen Wesenheiten einst nun ausgesandt wurde, verfing sich in dem unheiligen Zelt über den irdischen Himmeln, wo es für Myriaden von Perioden zur Verfügung stehen sollte. Ausgedachtes, Erdichtetes, Ideenfunken, einmal freigesetzt in jene nun dunklen irdischen Sphären, wurden von den exisitierenden Erdenkindern aufgesogen und umfassend absorbiert. Hirngespinste machten sich alsbald im Kopfe derer Schwachen breit und schöpften neue unheilvolle Gedankenblitze und abermals heilloses Leid. Ein finsteres obskures Zeitalter, verloren im unendlichen Naturell des gramvollen Daseins der Welten.
(Alle Rechte bei Marcus Manfred Urspruch. Nachdruck oder Übernahme nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors gestattet!)
Dekade Drei: Dämonen baden sich gesund in Tränenmeer
"Ich wandle Feuer in ein Meer
Aus Hoffnung und aus wahrem Licht
Und Tränen sollen nimmer mehr
Dir Nahrung sein, dir Leibgericht."
(Luzifer)
Tiefer Schmerz und Melancholie in Millionen Seelen, welche da waren gefangen im fleischlichen sinnlichen Leibe, formten binnen kurzem eine abgründige Sehnsucht nach vergänglichen und weltlichen Dingen. Dergleichen diesseitigen Wesenheiten suchten nun Glückseligkeit und Wonne in Äußerlichkeiten und flüchtigen Besitztümern. Gefallsucht und Hochmut breiteten sich wie die Schwingen des schwarzen Drachen über die Häupter der gefallenen Substanzen. Vergänglichkeiten, einmal erstrebet und besessen, so definierte sich der allesumfassende Gauckel, die universelle purpurne Illusion, schöpften scheinbaren Segen und Heil. Diese Wallungen bestanden jedoch nur für eine arg begrenzte Dauer, flüchtig und sterblich, ein Staubkorn groß im gleisenden Wüstensand des Allumfassenden. Sich dessen unbewußt, aber von innerern Wirren geplagt, fegten die stillen Seelenschreie wie Blitze in dunklen Horizonten um die Welten. Donner tönte über Häuptern und quälte die nach Linderung rufenden Ohren mit unbegrenzter Stillelosigkeit. Als methodische Sequenz wurde ein permanentes Trachten, ein erzwungener Vorsatz nach dem einmal Errungenen und Erreichten, dem scheinbaren externen Glück hervorgerufen. Ein Wehruf nach Erhaltung von Fassaden, nach Bewahrung der Hülle, einer abbröckelnden vergänglichen Kruste. Stetige Unzufriedenheit und ausnahmsloser Neid befielen die profanen Wesenheiten jener zum Niederriß verdammten irdischen Gebiete. Trauer und weitere bittere Tränen, milionenfach heißer als zuvor, wurden augenblicklich vergossen und Dämonen labten sich an den trüben Wassern, dem lichtlosen Brunnen, welcher sie schließlich und endlich genesen ließ, sie gesundete und ihnen eine gesicherte Existenz in allen Sphären des ungeweihten Daseins ermöglichte. Von nun an war es den rastlosen Schatten realisierbar sich im Lichte der Himelssonde, dem wonnespendenden Lichterquell, dem lebenserhaltenden Hirten, zu sonnen und im Äther zu walten, wirken und zu verführen.
(Alle Rechte bei Marcus Manfred Urspruch. Nachdruck oder Übernahme nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors gestattet!)
Dekade Vier: Alte Mächte sähen Weltenwahn
Was sich entfacht
Von Geisterhand.
Was nachts erwacht
Zu Lug und Schand.
Zu Wut und Zorn
Und düstrem Licht,
Das wie ein Dorn
Die Seele sticht.
Was alle Sinne
Dumpf bedeckt,
Gleich der Spinne
Das Insekt,
Welches im Netz
Hängt starr und fest,
In Todeshetz
Sein Leben läßt ..."
(Epos Sternenstaub: Dämonenreigen)
"Wie wahr erscheint mir diese Welt,
Ein Schleiertuch, das niemals fällt.
Vernarbtes Antlitz, just befleckt,
Hinter Stoff und Flor versteckt."
(Anklage)
Alte Mächte, auferstanden als die erste Träne die Meere berührte, wurden sich mit einem Male ihrer Verbannung, ihrem dunklen Exil, ihrem Ausgestoßenendasein bewußt, als sie nun den Schimmer dieseitiger Welten für ihre wiedergewonnene Lichtheit mißbrauchen konnten. Aus Gram über ihr verlorenes Allvatergewand, ihre zerronenen astralen Flurschaften, ihre verspielte Heimat, begannen sie die profanen Substanzen zu täuschen und zu blenden, indem sie ihnen goldene Illusionen lieferten und ihren Geiste somit vom wahren Kerne, dem Gemüts-Inneren, der goldenen Mitte abzogen. Es war ein leichtes die herrschende Eitelkeit und Gewinnsucht der Erdenkinder für ihre schäbigen Vorhaben als Kurzweil zu nutzen. Die Mächte verschlossen den nun irrgeleiteten diesseitigen Wesen die Welten und Weiten hinter den natürlichen Spiegeln und wandelten diese Pforten in ein Selbstbildnis der irdischen Körperschmach. Gesetzmäßigkeiten entstanden, Ursache und Wirkung entfachten eine Korrelation zwischen weltlicher Materie. Knisternde Pole und Zustände bildeten sich im Rhythmus der vergänglichen Bündnisse, Bindungen und Beziehungen und erschuffen somit eine Instabilität allen Seins. Keines der niederen Wesenheiten ward sich seiner allherrlichen Herrkunft mehr bewußt und verfiel in eine tiefere Sucht nach allem Vegänglichen und Todgeweihtem als jemals zuvor. Geist wandelte sich mehr und mehr in unreine sterbliche Materie. Das Rad von Sein und Werden begann sich unbarmherzig grob und gröber zu drehen. Unaufhörlich ohne Niedergang, immer weiter im dauernden Zyklus der kalten Unendlichkeit.
(Alle Rechte bei Marcus Manfred Urspruch. Nachdruck oder Übernahme nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors gestattet!)